Hilfe, ich vertrage gar kein Essen mehr — oder, was passiert, wenn das Histamin-Fass („histamine bucket“) voll ist?

In meiner Praxis sehe ich zunehmend Patienten, die mir berichten, kaum noch etwas essen zu können, weil sie fast gar nichts mehr vertragen. Auf alles reagieren sie mit Beschwerden: Durchfall, Blähungen, Hautausschläge, Kopfschmerzen, Herzrasen, Erschöpfung und vieles andere mehr. Die Liste der Symptome kann lang sein und die Aufzählung der Lebensmittel, nach denen sie auftreten, ebenfalls.

 

Was ist da los? Woran könnte das liegen?

 

Eine Ursache dieser unspezifischen Beschwerden kann eine Histamin-Unverträglichkeit (Histaminose, Histaminintoleranz) sein. Histamin ist ein körpereigener Botenstoff, der insbesondere in den Mastzellen gespeichert wird. Mastzellen können sich in der Haut, im Darm und in zahlreichen anderen Organen anreichern, was die zum Teil von Patient zu Patient sehr unterschiedliche Symptomatik erklärt.

 

Eine Histamin-Unverträglichkeit kann viele Ursachen haben. Vereinfacht kann man sich das Entstehen auch mit dem Überlaufen eines Fasses oder Eimers vorstellen („histamine bucket“).

Durch übermäßige Freisetzung von Histamin (z.B. Mastzellerkrankung, Mastozytose), verminderten Abbau von Histamin (z.B. Histaminintoleranz) oder übermäßige Zufuhr von Histamin (z. B. durch histaminhaltige Lebensmittel wie Wein, Sauerkraut, Tomaten usw.) reichert sich schrittweise immer mehr Histamin im Körper an. 

 

Meine Patienten berichten manchmal von einem bestimmten Ereignis (z. B. ein Festessen im Italien-Urlaub), das die Symptome ausgelöst hat. Häufig ist dies der sprichwörtlich letzte Tropfen, der das Histamin-Fass zum Überlaufen gebracht hat.

 

Es gibt keine eindeutigen Diagnosekritierien oder eindeutige klinische Zeichen, weshalb eine Histaminunverträglichkeit/ Histaminintoleranz/ Mastzellerkrankung leider häufig unerkannt bleibt. 

 

Die Diagnostik beinhaltet eine gründliche Anamnese und Untersuchung(en), die andere Ursachen für die Symptome ausschließen. Anschließend beginnt die Detektivarbeit: gemeinsam mit dem Patienten forschen wir nach Nahrungsmitteln, Lebensumständen (z.B. Stress, wenig Schlaf), unverträglichen Medikamenten und Zusatzstoffen usw., die das Histamin-Fass füllen. Auch Labortests können helfen.

 

Manchmal kann die Diagnose mittels einer sogenannten Auslassdiät, bei der der Patient alle histaminhalten Nahrungsmittel zunächst weglässt und danach Schritt für Schritt ausprobiert, welche Nahrungsmittel in welcher Menge vertragen werden, gesichert werden. Dies ist dann auch gleichzeitig ein wichtiger therapeutischer Schritt.

 

Die Größe und der Füllzustand des Histamin-Fasses („histamine bucket“) sind bei jedem Menschen sehr unterschiedlich angelegt und auch stark von der jeweiligen Lebenssituation abhängig. Dies erklärt, warum manche Menschen sehr sensibel auf Histamin in jeglicher Form reagieren und andere zum Beispiel so viele eingelegte Vorspeisen und Meeresfrüchte essen können, wie sie nur wollen. 

 

Die Therapie einer Histamin-Überladung besteht vor allem im Histamin-Entzug und das bedeutet leider den Verzicht auf viele sehr leckere Lebensmittel. Zur Beruhigung sei zum Abschluss noch angemerkt, dass es auch Histamin-Überladungen gibt, die nur zeitweise vorhanden sind und wieder vergehen. Anders verhält es sich bei genetisch bedingten Varianten der Histaminintoleranz, hier muss man sich oft zeitlebens etwas einschränken.